Anfahrt und Warten auf den Start
Den Wecker um 4:30 Uhr hatte ich gar nicht nötig – wenn man aufgeregt ist schläft man einfach nicht so gut – und ich muss zugeben, ich war aufgeregt und somit schon etwas vor dem Wecker wach. Schnell die Laufsachen angezogen und die „Opferklamotten“ drübergezogen um nachher beim Warten nicht zu frieren – wobei frieren keine Alternative war, da es zu dem Zeitpunkt draußen schon 18 Grad hatte.
Kurz nach 5 Uhr machte ich mich auf den Weg in Richtung New York Public Library, wo ich um 5:30 Uhr in den Bus steigen soll. Das ganze Hotel war wie ich schon auf den Beinen. Schon auf dem Times Square konnte man erkennen, dass heute richtig viele mitlaufen. An der Library angekommen musste ich feststellen, dass es wahrscheinlich noch mehr sind. Dann ging es zu wie beim Europa Park: in die Schlange stellen und Zeit vertreiben. Nur das Einsteigen war eher so, wie ich es von der Bundeswehr kannte: Vier Busse hintereinander, Türen auf: „Go, go, hurry up“. Abfahrt.
Nach einer Stunde Fahrt kamen wir in Staten Island am Startplatz an. Ein kleines Lager für fast 50.000 Menschen war da aufgebaut worden. Die Kontrolle am Eingang und die vielen freundlichen, aber doch sehr bestimmten Ordnungshüter gaben einem ein gutes Gefühl der Sicherheit. Jetzt hieß es nur noch Zeit totschlagen, früh genug ans Essen denken und noch viel früher in die Schlange bei den Dixies stellen.
So war der Lauf
Der New York Marathon verläuft die ersten 8 Meilen über unterschiedliche Strecken. Ich war für die orangefarbene Strecke eingeteilt und durfte somit auf der oberen Fahrbahn der Verrazano Bridge laufen. Grün musste auf der unteren Fahrbahn laufen und nach den vielen Ermahnungen, dass ein sich erleichtern auf der Brücke zur Disqualifikation führen kann, war ich froh, oben zu laufen 😉
Vor jedem Start wurde die amerikanische Hymne gesungen, dann gab es zwei Startkanonenschüsse (verdammt laut!) und danach lief man zu Frank Sinatras „New York, New York“ los. Das machte schon am Start ein wenig Gänsehaut, auch wenn wir jetzt bereits über 20 Grad hatten. Die Gänsehaut war dann aber schnell wieder weg, weil es verdammt voll auf der Strecke war und erst mal ordentlich bergauf ging. In meinem Startblock war der Pacemaker mit Zielzeit 3:45h und ich hielt es für eine gute Idee, am Anfang mit ihm zu laufen, um nicht zu schnell anzugehen. Nach 3km fand ich die Idee dann schon ziemlich bescheiden, weil der Typ sein Tempo konstant gelaufen ist – bergauf wie bergab – und mir das zu anstrengend war.
Nach 3km waren wir auch über die Brücke drüber und die ersten Zuschauer kamen und hielten „Welcome to Brooklyn“ Schilder hoch. Mit den Zuschauern kamen auch frenetischer Jubel und ohrenbetäubender Lärm, die mich die komplette Strecke bis ins Ziel begleiten sollten. Nur auf den Brücken war der Lärm weg, weil dort keine Zuschauer waren und zumindest bergauf auch keiner der Läufer gesprochen hat ;-).
Für mich war relativ schnell klar, dass dieser Marathon verdammt anstrengend wird. Ich war zwar gut vorbereitet, aber doch deutlich schwerer als die letzten Male, die ich Marathon gelaufen bin. Außerdem haben mir die 23 Grad und die hohe Luftfeuchtigkeit echt zu schaffen gemacht. Eigentlich hatte ich mir für New York ja nur vorgenommen, nicht zu leiden und mit einem Lächeln anzukommen. Andererseits bin ich ja ehrgeizig und wollte vielleicht ja doch eine bestimmte Zeit erreichen. Bis Kilometer 10 ging es in meinem Kopf hin und her, Gas geben und es drauf ankommen lassen, aufgeben oder Zeit Zeit sein lassen. Am Ende habe ich mich dafür entschieden, dass heute mein Geburtstag ist und ich diese geile Stimmung bis zum Ende genießen wollte. Danach habe ich Claudia eine WhatsApp geschrieben, dass ich Tempo rausnehme und es länger dauern wird.
Gesagt getan und schon war das Laufen viel einfacher. Vielleicht aber auch, weil es ein wenig bergab ging. Auf Grund der Hitze habe ich an fast jeder der Wasserstationen angehalten, ein bis zwei Becher getrunken und mir einen Becher über den Kopf geschüttet. Und nein, ich musste nicht an jeder Ecke ein Dixie aufsuchen, sondern habe alles rausgeschwitzt. Wenn es anstrengend wurde oder die Stimmung einfach zu geil war, habe ich angehalten, bin ein paar Meter gegangen und habe das ein oder andere Video gedreht.
Ich hatte viel Zeit, Kinder abzuklatschen oder Schilder zu lesen wie „Smile if you made pee“ aber auch Leute zu sehen, denen es richtig bescheiden ging, weil sie zu schnell waren. Irgendwann nach der Hälfte waren dann Wonderwoman und Spiderman um mich rum und das Getöse der Zuschauer war noch größer (in den Videos kann man das ganz gut hören). Kurz vor Kilometer 35 konnte ich dann auf einigen Schilder lesen: „You made it: This was the last bridge“. Aber ich wusste ja, da kommt noch der Anstieg vor dem Central Park. Also nicht zu früh freuen. Und der Anstieg kam und ich freute mich nicht! Endlich ging es rein in den Central Park und es wurde deutlich enger. Die Zuschauer standen zusammen wie bei einer Bergankunft auf der Tour de France aber es ging zum Glück (erstmal) bergab. Anderthalb Kilometer vor dem Ziel kam dann nochmal ein Anstieg und ich dachte mir: „Deine Zeit ist eh sch…, also kannst Du da auch gemütlich hochgehen und sparst Dir Deine Kraft für den Zieleinlauf, der geht nämlich auch nochmal ordentlich bergauf und Du willst ja mit einem Lächeln ins Ziel kommen.“ Im Nachhinein betrachtet muss ich sagen: war eine super Idee. Ich hatte soviel Kraft gespart, dass ich die letzten 400m mit dem Handy in der Hand locker und entspannt ins Ziel gelaufen bin. Und das Zielfoto beweist, dass ich gelacht habe. Auch wenn die Zeit mit 4:14:36 meine bei weitem schlechteste Marathonzeit ist. Details zu meinem Lauf findet ihr hier: Offizielles Ergebnis oder hier: Lauf auf Strava
Nach dem Ziel gab es wie üblich die Medaillen, einen Verpflegungsbeutel mit Wasser, Gatorade, 100g Pretzel, einem Riegel und einem Apfel und einen wirklich guten Poncho, der bei 20 Grad aber gar nicht so nötig war. Wer einen Runners Heaven mit Verpflegung erwartet, der wird enttäuscht. Nachdem man seinen Poncho hat beginnt eher die After Marathon Hell: man muss nämlich 2-3km durch den Central Park und die angrenzende Straße laufen, um a) an seine abgegebenen Klamotten zu kommen und b) seine Familie/Begleiter zu treffen. Falls es einem dabei schlecht geht wird das aber sofort bemerkt, weil alle 300m jemand auf einem Stuhl sitzt und aufpasst, dass Sanis kommen, falls es jemandem schlecht geht.
Bilder vom Lauf
Empfehlungen
Was würde ich jemandem raten, der den New York Marathon auch gerne laufen würde:
- Genieße es!
Die Stimmung, die Umgebung und das sonstige Drumherum sind so beeindruckend, dass die Zeit zweitrangig sein sollte. Für Bestzeiten solltest Du in Frankfurt oder Berlin laufen. New York ist ein Erlebnis. - Unterschätze die Strecke nicht: Es sind viele Höhenmeter und ein Großteil liegt in den letzten 5 Kilometern. Im Gegensatz zu vielen anderen Strecken ist hier keine „blaue Linie“, die Dir den besten Weg anzeigt.
- Mache mit Deiner Begleitung schon vorher genau aus, wo sie Dich fotografieren will. Ich empfehle sich entweder vor festgelegten Meilenschildern oder vor bestimmten Verpflegungsstationen zu verabreden. Ansonsten geht es Dir wie mir, dass Du zwei mal an Deiner Begleitung vorbeiläufst, sie sich die Seele aus dem Leib schreit, und (ihrer Schilderung nach) alle außer Dir geschaut hätten 😉
- Schau Dir genau an, wo es Wasser gibt. Ich habe meine Gels immer genau vor der Meile aufgemacht, an der es ausnahmsweise mal kein Wasser gab.
- Plane Deine Verpflegung in Meilen, nicht in Kilometern. Spätestens wenn Du auf der unteren Bahn einer Brücke gelaufen bist stimmt Deine Uhr nicht mehr und die Entfernung wird in Kilometer nur alle 5 Kilometer angezeigt.
- Mache am Samstag vor dem Marathon eine Stadttour mit dem Bus und auf gar keinen Fall so viele Schritte wie ich.
- Laufe am nächsten Tag mit Deiner Medaille durch die Stadt. It’s medal monday!
- Nimm an der Lotterie teil – mit Reiseveranstalter verdoppelt sich die Startgebühr.
Videos vom Lauf
Die Strecke
10:50
Brooklyn 11:29
Bronx
Einlauf im Central Park
Der Start
Fort Green – Brooklyn
St. Catherines Park
13:12
Der Zieleinlauf